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Was kann eine Konditionierung überhaupt bewirken?

Gibt man bei Google den Suchbegriff Hundeerziehung ein, um nach Empfehlungen Ausschau zu halten, wie man beispielsweise seinen „Leinenrüpel“ von seinen nervenden Verhaltensweisen befreien könnte oder gar, wer dafür eine professionelle Hilfe anbietet, bekommt man laut Anzeige Zugriff auf ca. dreieinhalb Millionen Einträge. Die dort zu entdeckenden Ratschläge und Empfehlungen zielen auf alle nur denkbaren unerwünschten Verhaltensweisen des Vierbeiners ab. Angefangen beim nervenden Zerren an der Leine über das pöbelhafte Verhalten bei Hundebegegnungen, Hinterherjagen oder Dauerkläffen bis hin zu Aggressionen aller Couleur einschließlich Beißattacken und Vorfälle, die im Grunde genommen schon meldepflichtig sind bzw. dem Amtstierarzt zur Anzeige gebracht werden müssen. Für all diese Fälle bietet das allwissende Google und seine schreibende Zunft eine Fülle an Ratschlägen und Empfehlungen feil, denen es auch nicht an Kreativität oder sogar Absurdität mangelt, wie Sie in einem meiner vorherigen Artikel beispielsweise zum sogenannten „Leinenmentaltraining“ nachlesen können. Aber auch die Anzahl der Kontakthinweise, an wen der genervte Hundehalter sich mit seinem Hilfeersuchen wenden kann, um seinem Dilemma endlich ein Ende zu bereiten, ist nahezu unglaublich.

Nun sollte man ja denken, bei einer derart riesigen Anzahl an Einträgen und Hilfsangeboten – was nebenbei bemerkt auch ein Indiz dafür ist, dass es eine schier unglaubliche Anzahl an Hundeschulen, Hundetrainern aber auch an selbsternannten Experten zu geben scheint – sollte es doch kein Problem sein, eine fachlich fundierte Hilfe zu bekommen. Vor allem die Vielzahl an Hundetrainern sollte allen Hilfesuchenden doch Optimismus verleihen.

Aber stimmen hier auch Erwartung und Realität überein? Kann der Hilfesuchende tatsächlich darauf bauen, die ihm hier feilgebotenen Ratschläge und Trainingsangebote werden auch tatsächlich den gewünschten Effekt bringen? Kann er erwarten, dass sein unerzogener Rüpel – in vielen Fällen sogar als verhaltensauffällig eingestuft – anschließend als wohlerzogen aus solchen Trainings hervorgeht, so er diesen Hilfsangeboten Folge leistet?

Gemessen jedenfalls an dem, was Kunden mir an Misserfolgserlebnissen einschließlich fehlinvestierter Gelder, nicht selten in fünfstelliger Höhe, berichten und ich selbst so im Netz an vermeintlichen Lösungsansätzen zu finden in der Lage war, offenbart sich mir jedoch eine erhebliche Diskrepanz. Bemerkenswert ist dabei der auffällige Konsens zwischen den meisten Empfehlungen einerseits aber deren offensichtliche durchgängige fachliche Ungeeignetheit andererseits, woraus sich auch die große Anzahl an Misserfolgen erklären lässt. Will meinen, die überwiegende Mehrheit der hier veröffentlichten Ratschläge ähneln einander, denn sie basieren alle auf ein und derselben falschen Annahme und belegen somit eher die fachliche Inkompetenz ihrer Quellen und nicht etwa ihre fachliche Expertise. Kurz gesagt, mithilfe solcher Ratschläge oder Trainingsansätze, wie sie mir berichtet wurden oder ich selbst im Netz größtenteils finden konnte, ist es aus fachlicher Sicht gesehen nahezu ausgeschlossen, einen unerzogenen Hund erfolgreich und vor allem auch nachhaltig erziehen zu können. Die Frage lautet somit: Warum?

Zunächst einmal, denke ich, sollte Konsens darüber bestehen, dass es sich bei den zuvor erwähnten unerwünschten Verhaltensweisen ausschließlich um solche handelt, die zu ihrer Beseitigung der Erziehung des Hundes bedürfen, sie also ein sogenanntes Erziehungsproblem darstellen und keines der Ausbildung wie etwa bei Sitz, Platz & Co. Jedoch die erwähnten Ratschläge, Verhaltensempfehlungen und Trainingsmethoden sind überwiegend solche, die der Ausbildung zuzurechnen sind, denn sie erfüllen alle die Kriterien der Konditionierung. Und letztere sind definitiv – also schon von ihrer Definition her – nicht geeignet, einem Hund Verhaltensregeln anzuerziehen, deren Auslöser in seinem Dispositionsgefüge zu finden sind, also in seinen Veranlagungen. Dazu sind Methoden der Konditionierung nun mal ungeeignet.

Zum besseren Verständnis macht es wohl Sinn, dass ich aus Sicht der Psychologie die Konditionierung einmal etwas ausführlicher erläutere, wodurch es sich dann eigentlich schon von selbst erklären sollte, warum deren Methoden zwar für eine Ausbildung sehr gut geeignet aber für eine Erziehung untauglich sind:

Jeder weiß sicherlich, was der Aberglaube so für Blüten treiben kann. Sportler zählen neben Glücksspielern übrigens zu den abergläubischsten Menschen. Ich selbst hatte zu Zeiten meiner Kariere als BMX-Profi, als ich noch von Contest zu Contest durch die halbe Welt reiste, die, im Nachhinein betrachtet, unverantwortliche Angewohnheit, beim Training besonders riskanter Sprünge über Rampe, Dirts & Co. keinen Helm zu tragen. Denn gefühlt ging es jedes Mal schief, wenn ich einen solchen trug. Wie gesagt, im Nachhinein betrachtet, unverantwortlich. Woran liegt das, dass man glaubt, zwischen zwei Sachverhalten oder Ereignissen, die rational bewertet gar nichts miteinander zu tun haben können, also lediglich ein mögliches Korrelat darstellen aber keine tatsächliche Kausalität, bestehe eine Ursache-Wirkung-Beziehung? In meinem Fall wahrscheinlich deshalb, weil es mir irgendwann einmal so ergangen war und mir mein Gedächtnis einen Streich gespielt und sich diesen scheinbaren Zusammenhang gemerkt hat: Helm ab – kein Sturz; Helm auf – Sturz. Psychologen bezeichnen dies übrigens als abergläubisches Lernen.

Der Psychologe Dr. Adam Cash schreibt dazu: „Wenn ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen einer Handlung und einem darauffolgenden bestimmten Ereignis besteht, sei es positiv oder negativ, findet eine bestimmte Art des Lernens statt. Man lernt, dass auf die Handlung eine Konsequenz folgt. Behavioristen verwenden dafür die Abkürzung A-B-C: Antezedens (was vorher passiert) – Verhalten/Behavior (die ausgeführte Handlung) – Konsequenz/Consequence (was nach der Handlung passiert). Das Lernen ist hier ein Prozess der Konditionierung. Bei dieser Art des Lernens wird eine Verbindung zwischen Ereignissen hergestellt.“

Es gibt zwei Arten des Lernens durch Konditionierung: Die klassische (Lernen durch das in Verbindung-Bringen zweier Ereignisse) und die operante (Lernen dadurch, dass auf eine bestimmte Handlung eine bestimmte Konsequenz folgt, was dazu führt, dass bei einer positiv bewerteten Konsequenz die Handlung wahrscheinlich erneut wiederholt oder bei negativer Konsequenz vermieden wird).

Der Psychologe dazu weiter: „Bei der klassischen Konditionierung geht es darum, dass zwei Reize miteinander verknüpft werden. Bei der operanten Konditionierung geht es darum, dass die Beziehung zwischen zwei Reizen die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass eine Verhaltensweise erneut auftritt (oder nicht).“  

Wer kennt sie nicht, die berühmt gewordenen Experimente des russischen Physiologen Iwan Pawlow mit seinen Hunden, mit denen er den Nachweis erbrachte, dass ein konditionierender Reiz einen natürlichen Reiz ersetzen kann, um eine unkonditionierte Reaktion zu einer konditionierten werden zu lassen. Soll heißen, dass ein im Zusammenhang mit einem natürlichen Reiz (Futter) dargebotener neuer Reiz (Glockenläuten) irgendwann allein die gleiche natürliche Reaktion (Speichelfluss) auslösen kann, also ohne, dass der natürliche Reiz mit dargeboten werden muss. Dem Hund läuft quasi schon der Sabber im Maul zusammen, allein nur, weil er die Glocken läuten hört.

Allerdings hängt der Erfolg einer solchen Konditionierung von zwei Regeln ab:

Zum einen von der sogenannten Kontiguität, womit die zeitliche oder räumliche Nähe bzw. Verknüpfung beider Reize gemeint ist. Nur wenn der konditionierende Reiz auch in einer ausreichend engen Beziehung zum natürlichen Reiz steht, entfaltet er seine Wirkung. Und zum anderen ist es die ausreichende Häufigkeit des gemeinsamen Auftretens. Konditionierung findet also nur statt nach einer ausreichenden Anzahl an Wiederholungen (auch trials genannt), woraus sich auch das notwendige wiederholte Üben bei einer Ausbildung erklären lässt. Letzteres allerdings nicht nur aus diesem, sondern auch aus dem Grund, dass dem Hund „Fähigkeiten“ beigebracht werden sollen, die er von Hause aus nicht besitzt. Denn kein sich natürlich verhaltender Hund käme auf die Idee, sich vor jedem Überqueren der Straße auf die Bordsteinkante setzen zu wollen. Diesen Quatsch muss man schon oft genug üben und mit einem Leckerli belohnen, bis der Hund „verstanden“ hat, dass solche „Fähigkeiten“ den weisen Homo sapiens offenbar vor Entzücken nahezu ausrasten lässt. Aber noch etwas hat Einfluss auf den Erfolg, nämlich die Stärke des Reizes. Eine laute Glocke ist halt wirkungsvoller als eine leise.

Allerdings, und hier liegt der Hund begraben, sobald die gemeinsame Darbietung von natürlichem Stimulus und konditionierendem beendet sei, so Adam Cash weiter, und der konditionierende Stimulus allein die Reaktion hervorrufe, lasse seine Kraft irgendwann nach. Werde ein konditionierender Stimulus oft genug ohne den natürlichen Reiz präsentiert, höre der konditionierende Stimulus irgendwann auf, die konditionierte Reaktion auszulösen.

Aber nicht nur Pawlow hat sich einen Namen in der Konditionierungsforschung gemacht. Auch solche Namen wie die des jungen Doktoranden Rescorla oder der beiden Wissenschaftler Wagner und Hull mit ihren ergänzenden Modellen und Erklärungen, in denen sie zusätzliche Regeln und Bedingungen für die Konditionierung definierten, sind erwähnenswert. Aber ich denke, einer der bekanntesten, der sich mit seinem Beitrag zur operanten Konditionierung hervorgetan hat, ist Edward Lee Thorndike. Er war ein US-amerikanischer Psychologe. Seine Verhaltensstudien an Tieren und die daraus abgeleitete Theorie vom Lernen durch Versuch und Irrtum beeinflussten spätere Theorien des Behaviorismus. Er entwickelte eine Theorie, die als Gesetz der Wirkung oder Effektgesetz bezeichnet wird, wonach sich die Konsequenz einer Handlung auf die Handlung selbst auswirke. Versuche dazu führte er mit Hilfe seines sogenannten Problemkäfigs an Katzen durch. Thorndikes Effektgesetz besagt, dass eine Reaktion, die bei einem Tier eine größere Befriedigung hervorruft, mit einer größeren Wahrscheinlichkeit mit der vorausgehenden Situation verknüpft werde. Je größer die Befriedigung, desto stärker die Verknüpfung zwischen Situation und Reaktion. In seine Fußstapfen trat der wohl berühmteste Psychologe aller Zeiten, Burrhus Frederic Skinner, der Ratten in seiner Skinner-Box üben ließ, auf einen Hebel zu drücken, um anschließend eine Futtertablette zu ergattern.

Thorndikes Katze und Skinners Ratten hatten es gelernt, eine Tür zu öffnen oder einen Hebel zu drücken, weil sie mit einem sogenannten Verstärker (Futter) belohnt wurden. Futter – oder das berühmte Leckerli – sind übrigens eines der wirkungsvollsten Verstärker in der Tierdressur, weil das Bedürfnis nach Futtermaximierung selbst die beiden Bedürfnisse nach Sicherheit und Fortpflanzung übertrifft. Es gibt zwei verschiedene Arten von Verstärkern. Die sogenannte positive Verstärkung, die die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein bestimmtes Verhalten erneut auftritt, und die negative Verstärkung, die das Gegenteil bewirkt. Letzteres wäre beispielsweise das künftige Vermeiden eines bestimmten Verhaltens, weil dieses dem Protagonisten zuvor bereits einmal unangenehme Folgen bescherte. Deshalb sollte auch unbedingt jedes unerwünschte Verhalten eines Hundes sofort und konsequent mit einer Sanktion „bestraft“ werden. Bleibt diese jedoch aus, bleibt auch das gewünschte Verhalten aus, denn jede ausbleibende Sanktion entspricht quasi einer Duldung des negativen Verhaltens, was der Hund als Erfolg seines Verhaltens interpretiert. Und erfolgreiches Verhalten macht süchtig nach mehr.

Auf diese sogenannte positive Verstärkung, oder auch Bestärkung genannt, berufen sich nun eine ganze Reihe von Hundetrainern und sogenannte Experten in ihren Empfehlungen, wenn sie den ratsuchenden Hundehaltern ihre Hilfe feilbieten. Und wie ich zu Beginn bereits erwähnte, ähneln die meisten dieser Trainingsansätze einander und bedienen alle ein und denselben Grundsatz, nämlich den der Konditionierung.

Und damit sind wir bei unserer eingangs gestellten Frage oder dem eigentlichen Problem: Woran liegt das und warum scheitern so viele Versuche, einen nicht erzogenen – oder nennen wir ihn mal verhaltensauffälligen – Hund mittels einer Konditionierung erfolgreich und vor allem nachhaltig erziehen zu wollen? Die Antwort findet sich im Wesen der Konditionierung: Die konditionierte Reaktion setzt einen konditionierenden bzw. externen Reiz oder die konditionierte Reaktion eine konditionierende Konsequenz voraus. Und ein Nachlassen oder Ausbleiben beider, des Reizes oder der Konsequenz, führen unweigerlich früher oder später zum Löschen dieser Konditionierung. Was jeder an den Ritualen des Dompteurs im Zirkus ausmachen kann. Auch er wird sehr bewusst seinem Löwen stets und ständig nach einem gelungenen Sprung durch den brennenden Reifen ein belohnendes Leckerli reichen. Weil er weiß, bleibt dieses aus, wird sein Löwe ihm irgendwann den Gehorsam verweigern. Denn letzterer springt wohl kaum aus Lust an der Freude durch einen Reifen, der ihm die Mähne versengen kann, sondern wohl eher, weil er anschließend die höchste aller Belohnungen erwarten darf. Das Leckerli ist der genutzte Verstärker, um beim Löwen die konditionierte Bereitschaft auszulösen, dieses völlig widernatürliche Verhalten zu zeigen.

Aber eine nicht minder wichtige Ursache, warum die Konditionierung nach Ausbleiben des Reizes oder der Konsequenz sich früher oder später löscht, ist, dass eine Konditionierung, so ausgefeilt sie auch seien mag, niemals den Auslöser des unerwünschten Verhaltens beseitigt, sprich den Grund des Verhaltens, der im Dispositionsgefüge des Hundes zu finden ist und somit latent ständig der Konditionierung entgegenwirkt. Diesen Grund zu beseitigen, ist aber die ultimative Voraussetzung dafür, dass das wichtigste Kriterium der Erziehung erfüllt ist, nämlich das Erreichen eines Verhaltens des zu Erziehenden aus seinem ureigenen Interesse. Solange der Grund eines unerwünschten Verhaltens nicht beseitigt ist, und dazu sind Belohnungen aller Art oder externe Stimuli (und da kann man sich auch noch so interessant oder nach Kompetenz klingende Bezeichnungen wie Klickern und ähnlichen Hokuspokus ausdenken, sie bleiben externe Verhaltensauslöser) nicht in der Lage, bleibt dieser im Hintergrund weiter vorhanden und bricht sich früher oder später wieder Bahn.

Bleibt also die Frage: Was ist der Grund eines „unerwünschten“ Verhaltens und wie kann dieser beseitigt werden? Dazu ist es notwendig, dass wir das Gebiet der Ausbildung verlassen (auf dem die Konditionierung durchaus ihre Legitimität besitzt und hier sogar den Königsweg repräsentiert) und einen kurzen Exkurs auf das Gebiet der Erziehungswissenschaft unternehmen. Denn bei der Erziehung ist nicht die Konditionierung das Erfolgsrezept (wie man allerdings noch vor nicht einmal 100 Jahren glaubte, seine Untertanen „erziehen“ zu können), sondern die Einflussnahme auf das sogenannte Dispositionsgefüge des Educandus (des zu Erziehenden). Beim Menschen spricht man vom zuvor bereits erwähnten Erreichen der Einsicht in die Notwendigkeit. Selbiges ist bei einem Hund wahrscheinlich nicht möglich (oder vielleicht wissen wir es nur noch nicht), denn das setzt bestimmte Merkmale eines Bewusstseins voraus, die – soweit mir die wissenschaftlichen Erkenntnisse diesbezüglich bekannt sind – bei einem Hund noch nicht nachgewiesen wurden. Zwar wird dem Hund auch ein Bewusstsein zugebilligt – zumindest einige der Merkmale -, aber ob er so etwas wie eine Vernunft besitzt, wird dadurch momentan noch ausgeschlossen, dass ihm das Zugestehen bestimmter Fähigkeiten des Denkens verweigert wird. Aber unabhängig davon, den gleichen oder vergleichbaren Effekt erzielt man bei einem Hund über die Einflussnahme auf eines seiner Grundbedürfnisse, nämlich das nach Sicherheit. Mit der Zielstellung, dass der Hund, vergleichbar mit der erwähnten Einsicht in die Notwendigkeit beim Menschen, sich auch aus ureigenem Interesse und nicht aufgrund eines von außen wirkenden Reizes so verhält wie er sich verhalten soll. Und da sein unerwünschtes Verhalten, wie beispielsweise seine Aggressionen gegenüber seinesgleichen oder gegenüber Menschen, stets in seinem Sicherheitsbedürfnis begründet ist, welches er durch dieses Verhalten befriedigt wissen will, muss man ihn im Rahmen der Erziehung von dieser Verantwortung für seine Sicherheit entbinden und der Mensch statt seiner die sich daraus ergebenden Pflichten übernehmen. Dies habe ich aber bereits an vielen anderen Stellen ausführlich erläutert.

Zusammenfassend kann man also sagen: Es ist zwar durchaus möglich, ein unerwünschtes Verhalten eines Hundes, dass in seiner Bedürfnisbefriedigung entweder nach Nahrung, Fortpflanzung oder Sicherheit begründet ist, auch durch eine Konditionierung beispielsweise mittels Belohnung zu beeinflussen, zumindest temporär, denn unter den Grundbedürfnissen ist das nach Futtermaximierung immer das höherwertigere, das sogar Löwen dazu veranlassen kann, nicht zu schlucken, wenn sein Dompteur ihm den Kopf ins Maul steckt. Aber mit temporär ist gemeint, dass dies nur solange funktioniert wie die oben erwähnten Stimuli ihre Wirkung entfalten bzw. diese nicht einbüßen. Lässt diese jedoch nach, lässt auch das konditionierte Verhalten früher oder später nach und es droht das Zurückfallen in alte Verhaltensmuster. Weshalb sogar der wagemutigste Dompteur sich hüten wird, sein spektakuläres Experiment zu wiederholen, im Wissen, seinem Löwen die letzten Male das Leckerli vorenthalten zu haben. Aber hier von einer Erziehung zu sprechen, ist fachlich schlichtweg falsch, weil der Konditionierung das wichtigste Kriterium einer Erziehung fehlt, nämlich das erwähnte veränderte Verhalten aus ureigenem Interesse, initiiert durch die Veränderung des Dispositionsgefüge des Hundes, woraus sich dann auch erst die Nachhaltigkeit ergibt. Ein beispielsweise durch Konditionierung scheinbar umerzogener Hund, der zuvor vielleicht sogar Menschen oder im schlimmsten Fall kleine Kinde angegriffen und bis zur Unkenntlichkeit entstellt hat, ist und bleibt eine „tickende Bombe“, denn sein scheinbar geändertes Verhalten basiert lediglich auf externen Stimuli, die im besten Fall als eine Art Ablenkung fungieren können und sein eigentliches Verhaltensbedürfnis, das durch sein Dispositionsgefüge gesteuert wird, vordergründig überlagern. Denn ein Hund riskiert für eine Futtermaximierung durchaus schon mal Kopf und Kragen und „ignoriert“ quasi temporär sein Bedürfnis nach Sicherheit. Sich hier aber als Hundehalter oder gar als Hundetrainer in Sicherheit zu wiegen ob eines sogenannten Erziehungserfolges, ist grob fahrlässig.