und

ihre Vermeidung durch Stressvermeidung

Als medizinischer Laie sich zur Diagnostik oder sogar zur Therapie von pathologischen Symptomen zu äußern, ist nicht nur in der Humanmedizin leichtfertig, sondern in der Veterinärmedizin nicht minder. Insofern liegt es mir fern, mich auf ein solches „Eis“ zu begeben. Jedoch halte ich es für legitim, Erkenntnisse aus meiner langjährigen Praxis als Hundetrainer kundzutun, die zumindest erwähnens- und diskussionswürdige Schlüsse nahelegen, weil sie auf einer derartigen Fülle an Fällen basieren, die kaum noch mithilfe von möglichen Korrelationen – also zufällig gemeinsam auftretenden Erscheinungen – erklärbar sind, sondern durchaus den Schluss von Kausalitäten – also Ursache und Wirkung – zulassen.

Es handelt sich um die Wahrnehmung von Zusammenhängen zwischen zwei Merkmalen, nämlich einer besonderen Form der psychischen Belastung, dem Stress, und den gleichzeitig auftretenden Krankheitssymptomen wie Haut- und Fellerkrankungen. Und wie so oft werden solche Kausalitäten – übrigens auch in der Wissenschaft – erst durch das zufällig beobachtete gleichzeitige Verschwinden beider Merkmale erkannt. Will meinen, wenn sie gemeinsam präsent sind, registriert man sie eventuell nur als zufällig gemeinsam auftretende Merkmale; erst wenn sie auch gemeinsam verschwunden sind, liegt der Schluss ihrer Kausalität nahe.

Aus einer Vielzahl von Rückmeldungen meiner KundInnen, deren Hunde wir erfolgreich von ihren vermeintlichen Verhaltensauffälligkeiten „befreit“ haben, geht hervor, dass mit der Verhaltensänderung ihrer Hunde in einer relativ kurzen zeitlichen Nähe auch die Symptome ihrer Haut- und Fellerkrankungen einschließlich entsprechender Verhaltensweisen wie Kratzen und Nagen verschwanden.

Nun ist ein solcher Zusammenhang zwischen körperlichen und psychischen Erscheinungen in der Humanmedizin hinlänglich bekannt und bewiesen; in der Veterinärmedizin sind entsprechende Studien allerdings kaum zugänglich. Zwar wird hier und da bei der Beschreibung von Krankheitsbildern und ihren möglichen Ursachen seitens der Veterinäre auch mal der Stress als eine mögliche erwähnt, aber meistens nicht als primäre, sondern als eine von vielen. Aus der interdisziplinären Forschung von Endokrinologie (Lehre von den Hormonen) und Psychologie ist aber längst bekannt, dass es ein Zusammenspiel von Neuronen und Hormonen gibt. Insofern können wir davon ausgehen, dass auch bei einem Hund sich eine psychische Belastung auf seinen Hormonhaushalt auswirkt und dieser wiederum sich auf den Stoffwechsel des Tieres. Und letzterer steht im direkten Zusammenspiel mit den Zellaktivitäten und deren Replikation. Die Endokrinologen sagen sogar, dass nicht nur Hormone das Verhalten beeinflussen, sondern auch anders herum, das Verhalten die Hormone. Das heißt ein Hund, der sich aus welchen Gründen auch immer durch seinen sich ändernden Hormonhaushalt aggressiv verhält, durch sein aggressives Verhalten selbst wiederum seinen Hormonhaushalt beeinflusst. Es kommt also zu einer Spirale der sich gegenseitigen Beeinflussung.

Ich halte es deshalb für nicht sehr unwahrscheinlich, dass sich die psychische Belastung eines Hundes, insbesondere wenn diese in Stress übergegangen ist, in Haut- und Fellproblemen manifestiert.

Das für mich erstaunlichste und bemerkenswerteste an dem hier geschilderten Sachverhalt ist, dass es keinem der HundebesitzerInnen bewusst war, dass ihre Hunde Stress hatten. Wenn ich ihnen gesagt habe, dass ihre Schützlinge typische Stresssymptome zeigen, reagierten sie ungläubig.

Zwei interessante Fragen, die sich daraus ergeben, lauten nun: Was ist Stress und woran erkenne ich ihn bei meinem Hund? Bevor man dann der Frage nachgeht, wie er im konkreten Fall verursacht wurde und wieder beseitigt werden kann.

Ich bin auf das Thema Stress auch in meinem Buch „Problemhunde und ihre Therapie“ eingegangen und habe in dem Zusammenhang Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer aus seinem Buch „Rotkäppchen und der Stress“ zitiert, weil er nach meiner Meinung hier nicht nur eine der treffendsten Definitionen zum Stress formuliert, sondern insbesondere seine Abgrenzung gegenüber der allgemeinen psychischen Belastung auf den Punkt bringt. Letzteres ist deshalb so wichtig, weil vielfach die Bezeichnung „Stress“ für viele Situationen inflationär verwendet wird, obwohl es sich im konkreten Fall oftmals nur um eine gewöhnliche psychische Belastung handelt. Das führt dann nicht selten dazu, dass tatsächlicher Stress, wenn es zwingend notwendig wäre, nicht erkannt wird und dann fatale Folgen hat.

Laut Manfred Spitzer ist der Stress nämlich an eine besondere Rahmenbedingung der psychischen Belastung gekoppelt: Der Protagonist muss nämlich das Gefühl haben, nicht mehr Herr der Lage zu sein oder keinen Einfluss mehr auf den Ausgang des Geschehens zu haben. Als Beispiel bringt er den Fall der beiden Affen, die in einen voreinander getrennten Käfig gesperrt wurden, aus denen sie sich gegenseitig aber beobachten konnten. Affe A wurde nun dahingehend konditioniert, blitzschnell, sowie eine Lampe aufleuchtet, innerhalb eines kurzen Zeitfensters einen Taster zu betätigen, um dadurch zu verhindern, dass beide Affen über ihre Metallkäfige einen zwar nicht schlimmen aber immerhin unangenehmen Stromstoß verabreicht bekommen. War Affe A schnell genug, blieb beiden, also auch Affe B, dieses unangenehme Erlebnis erspart. Wenn nicht, mussten beide die „Strafe“ gemeinsam ertragen. Affe B war allerdings zur Untätigkeit verdammt und konnte das Geschehen nur beobachten, ohne selbst Einfluss nehmen zu können; während Affe A unter einem vermeintlich enormen psychischen Druck stand, ständig auf der Hut zu sein, auf die Lampe zu achten, um sofort reagieren zu können.

Am Ende des Experiments wurden beide Affen auf Stresssymptome untersucht. Und siehe da, die Verblüffung war groß. Nicht wie erwartet wies etwa Affe A, der ständig unter einer hohen psychischen Belastung stand, solche Symptome auf, sondern im Gegenteil, ausschließlich Affe B. Dieser hatte offensichtlich puren Stress, weil er, im Gegensatz zum Affen A, völlig hilflos dem Geschehen ausgeliefert war, also keinerlei Einfluss nehmen konnte auf dessen Ausgang.

Insofern ist es anders herum sehr gut nachvollziehbar, wenn ein Hund, dem eine ihn psychisch hoch belastende Aufgabe übertragen wurde – beispielsweise die Bewachung eines Grundstückes, die seine permanente Aufmerksamkeit und Aktivität erfordert – trotzdem keinerlei Stresssymptome entwickelt. Warum? Er hat es offensichtlich im Griff und auch das Gefühl, Chef am Ort des Geschehens zu sein. Es wäre also ein Irrtum anzunehmen, dass psychische Belastungen grundsätzlich etwas Negatives seien, also Stress. Im Gegenteil, das vegetative Nervensystem ist dazu da, mit Reizen aller Art klarzukommen, entsprechende Reaktionen auszulösen und diese im Sinne des Überlebens seines „Chefs“ zu nutzen. Wichtig ist nur, dass es zwischen dem Sympathikus (Action) und dem Parasympathikus (Erholung) stets zu einem Ausgleich kommt, weil der Organismus nicht ununterbrochen in Action sein kann. Ansonsten kann auch eine permanente psychische Belastung, ohne Stress zu sein, negative Folgen auf den Organismus haben. Aber davon reden wir hier nicht.

Hinzu kommt, dass vielen Hunderassen ein solches aufgabenbezogenes Verhalten, welches potentiell als eine ständige psychische Belastung interpretiert werden könnte wie das Bewachen, Beschützen oder Hüten, ihnen bereits durch ihre Zuchtlinie in die Gene geschrieben wurde und sie bei deren Erfüllung sogar regelrechte Befriedigung erfahren. Von einer negativen Belastung kann hier also keine Rede sein. Und ein solcher Hund, der unter einer hohen psychischen Belastung steht, aber die sie verursachende Situation gefühlsmäßig und tatsächlich unter Kontrolle hat, wird sicherlich auch keine Haut- und Fellprobleme entwickeln; zumindest nicht aus diesem Grund.

Problematisch wird es erst dann, wenn der Hund entweder mit der ihm übertragenen Aufgabe überfordert ist, oder – und das ist meistens der Fall – es einen Konflikt gibt zwischen der ihm übertragenen Aufgabe bzw. Verantwortung einerseits und dem ihm zugestandenen Entscheidungsspielraum andererseits. Eine der so am häufigsten durch Herrchen oder Frauchen verursachten Konflikte, die dann beim Hund zu Stressreaktionen führen, ist die dem Hund unbewusst übertragene Verantwortung entweder für die Sicherheit oder für irgendeine Ressource, der er aber durch den ihm eingeschränkten Entscheidungsspielraum nicht nachkommen oder gerecht werden kann, indem man ihm entweder nicht die Erlaubnis gibt oder nicht die Möglichkeit, für diese Sicherheit auch tatsächlich sorgen zu können.

Was heißt das nun für unsere eingangs geschilderte Beobachtung?

Ich will damit nur die Empfehlung aussprechen, sollte ihr Hund solche Symptome wie Hautirritationen, Fellprobleme oder unnormalen Juckreiz zeigen, dass sie nicht nur ihren vertrauten Tierarzt konsultieren, der nach organischen oder Stoffwechselproblemen, die durchaus auch im falschen Futter zu finden sind, sucht, sondern sich der kritischen Analyse eines erfahrenen Hundetrainers oder Therapeuten stellen, ob ihr Hund vielleicht einem solchen Stress wie beschrieben ausgesetzt ist. Der Großteil meiner Therapiearbeit bezieht sich jedenfalls auf diese Stressanalyse bzw. die sich daraus ergebende Befreiung des Tieres von den ihn auslösenden Konflikten. In der Regel liegt die Lösung im veränderten Verhalten der HundebesitzerInnen, mit dem sie ihrem Schützling demonstrieren, dass er ab sofort keinerlei Verantwortung mehr trägt, weder für seine eigene oder ihre gemeinsame Sicherheit noch für irgendeine Ressource.

Bevor sie also ihren Liebling mit allerlei Salben und Cremes, Spritzen und sonstigen therapeutischen Experimenten traktieren, lassen sie lieber mal sein psychisches Umfeld unter die Lupe nehmen.