Bello, kommst du her!?!  …

Donnerwetter nochmal, kommst du jetzt endlich her!“

Gottfried Herder übersetzte 1792 die lateinische Form eines aus dem 16. Jahrhundert stammenden Sprichwortes wie folgt: “Lerne schweigen, o Freund. Dem Silber gleichet die Rede, aber zu rechter Zeit Schweigen ist lauteres Gold.”

Der Volksmund machte daraus: „Reden ist Silber und Schweigen ist Gold“.

Was hat das Ganze mit der Hundeerziehung zu tun?

Ich habe in dem Buch „Problemhunde und ihre Therapie“ auch einen Passus platziert, in dem ich mich vorsichtig kritisch zum in Mode geratenen „nonverbalen Hundetraining“ geäußert habe und ein Plädoyer pro „Reden Sie mit dem Hund“ gehalten. Denn abgesehen davon, dass der Hund im Rahmen seiner Domestikation die Sprache des Menschen als dessen unverwechselbares „Markenzeichen“ nicht nur identifiziert, sondern sie sogar liebgewonnen hat und mittlerweile in einer verblüffenden Vielfalt sehr gut versteht, ist die Sprache auch ein wichtiges Mittel, dem Hund unmissverständliche Anweisungen zu geben, an denen er sich zuverlässig orientieren kann. Und letzteres ist einer der Schlüssel des Erfolges in der konfliktfreien Beziehung zwischen Mensch und Hund.

Ich kann sogar sagen, dass eine mangelhafte Orientierungsmöglichkeit des Hundes an seiner Bezugsperson der Nährboden ist für seine vermeintlichen Verhaltensauffälligkeiten. Nur dadurch, dass der Mensch ihm keine zuverlässige Bande bietet, an die er zu seiner Korrektur anstößt, übernimmt er selbst die Verantwortung, so z.B. für seine eigene Sicherheit. Aber eben nicht nur die Gewährleistung seiner physischen Unversehrtheit durch Frauchen bietet ihm im Wortsinne Sicherheit, sondern auch die unmissverständliche Lenkung und Führung. Immer wenn es zu Missverständnissen in der Kommunikation kommt, kommt es auch zu vermeintlichen Verhaltensauffälligkeiten. Und zwar im doppelten Sinne. Nämlich auch in dem Sinne, dass der Mensch sogar die folgerichtige Reaktion des Hundes auf das missverständliche Verhalten des Menschen wiederum falsch interpretiert und dadurch erneut falsch reagiert.

Mit anderen Worten: Die unmissverständliche Kommunikation zwischen Mensch und Hund ist das A und O. Und deshalb sollte der Mensch die ihm von Natur aus gegebenen Mittel dazu auch nutzen.

Aber eben nicht nur das, sondern er muss sie auch korrekt nutzen. Und die Kommunikationsmittel korrekt nutzen heißt, es darf zu keinem Widerspruch zwischen den unterschiedlichen Mitteln der Kommunikation untereinander kommen.

Einer der häufigsten Widersprüche lässt sich beispielsweise erkennen zwischen der Körpersprache bzw. Handlung des Menschen einerseits und seinen verbalen Äußerungen andererseits. Und nicht immer als Quelle der gestörten Kommunikation erkannt wird die mangelnde Konsequenz in Form eines nicht sofortigen, eindeutigen und energischen Reagierens des Menschen bei Nichtreagieren des Hundes auf eine verbale Anweisung.

Ein typisches Szenarium habe ich in der Kopfzeile dieses Artikels wiedergegebenen. Ein Indiz für eine ungestörte Kommunikation wäre nämlich gewesen, wenn Bello auf die allererste Anweisung „Bello, komm‘ her!“ auch reagiert hätte. Jede weitere Anweisung, ohne dass zuvor und sofort eine korrigierende Reaktion des Menschen stattgefunden hat, ist aber eine Störung der Kommunikation, an der sich der Hund nicht mehr zuverlässig orientieren kann.

Um in unserer Metapher zu bleiben, wäre also die Anweisung „Bello, komm‘ her!“ das Silber gewesen. Das anschließende Schweigen – und statt des erneuten Redens ein energisches Handeln – wäre dann das Gold.

Viele meiner KundInnen, die mich rufen, weil ihr Liebling partout nicht macht, was er machen soll, haben die Botschaft „Reden Sie mit Ihrem Hund!“ offensichtlich missverstanden und nicht bedacht, dass zu viel Reden kontraproduktiv ist. Ähnlich wie aus einer Medizin bei richtiger Dosis schnell ein Gift werden kann, wenn die Dosis zu hoch ist.

Denn führen wir das obige Beispiel noch fort:

Bello läuft also davon, was Frauchen missfällt. Ihre darauf folgende reflexartige Reaktion: „Bello, komm‘ her!“ Aber Bello denkt nicht dran, herzukommen, weil er offensichtlich in der Vergangenheit mit keiner unangenehmen Konsequenz zu rechnen hatte. „Bello, kommst du her?!“ Bello würdigt sie nicht einmal eines Blickes. Die wiederholte Anweisung klingt ja auch beinahe schon wie eine Frage. „Donnerwetter nochmal, kommst du jetzt endlich her?!!!“ Irgendwann kommt Bello dann vielleicht. Und Frauchen ist derart erleichtert, dass sie ihn sogar streichelt mit dem Gefühl der tiefen Dankbarkeit.

Für Bello stellt sich letztendlich die Situation sogar so dar, dass er für sein „tolles“ Verhalten eine streichelnde Anerkennung erfährt.

Die Lehre aus der Geschichte: Reden Sie mit ihrem Hund und geben ihm in Form unmissverständlicher Vokabularien, die immer im selben Kontext angewendet, eine zuverlässige Bande bietet wie dem Bobfahrer die Bobbahn, an der er sich sicher ins Ziel des konfliktfreien Zusammenlebens mit Ihnen bewegen kann. Aber denken Sie daran, wenn die Bande aufgrund mangelnder Härte in Form einer ausbleibenden Konsequenz nachgibt, fliegt der Bob aus der Bahn und erreicht nicht sein Ziel.

Deshalb zeige ich meinen KundInnen im Rahmen eines einzigen Trainings, wie sie dem Hund mittels einer unmissverständlichen Einheit von verbaler Anweisung und handelnder Konsequenz eine zuverlässige Orientierung bieten.

Reden Sie also mit ihrem Hund insofern, dass Sie ihm mittels der Sprache eine unmissverständliche Anweisung geben, aber „labern“ Sie ihn nicht „besoffen“, wenn er nicht sofort reagiert. Denn mit letzterem geben sie ihm keine zuverlässige Orientierung. Scherzhaft ausgedrückt, würden Sie damit höchstens einen Psychologen animieren, sie der Logorrhoe oder Polyphrasie (krankhafte Geschwätzigkeit) zu bezichtigen. Ersetzen Sie stattdessen das sinnlose Reden mit einem konsequenten Handeln. Das bietet ihrem Hund diese ultimativ notwendige zuverlässige Orientierung.