„Das ist doch nur ein Meideverhalten à la Cesar Millan!“ …

…tadelte mich neulich ein offensichtlich fernsehgeschulter Kritiker, nachdem er von meiner erfolgreichen Resozialisierung aggressiver Problemhunde erfuhr.

Oberflächlich betrachtet konnte ich seine Meinung sogar nachvollziehen. Aber eben nur oberflächlich. Abgesehen davon, dass das Meideverhalten eines Hundes nicht unbedingt kritikwürdig sein sollte, wenn wir an das angeborene oder auch angelernte Verhalten eines Hundes denken, um sich seine physische Unversehrtheit zu bewahren. So wird beispielsweise ein gesunder Hund ab einem Alter von ca. 30 Tagen kaum einer Katze gleich auf dem Rand einer Dachrinne langspazieren, sondern solch ein riskantes „Manöver“ durch ein angeborenes Verhalten umgehen. Oder er wird, um bei Katzen zu bleiben, nach einem schmerzhaften Angriff einer solchen, künftig einen weiten Bogen um selbige machen. Letzteres wäre ein angelerntes Meideverhalten.

Aber die Kritik des guten Mannes zielte sicherlich auf etwas anderes ab. Nämlich auf meine vermeintlich bestrafende Erziehungsmethode à la Cesar Millan, um den Hund von seinen Aggressionen abzubringen, so dass er seine Aggressionen unterbindet, um einer Bestrafung aus dem Wege zu gehen oder eben, sie zu meiden.

Aber bei genauerer Betrachtung ist dies in dem hiesigen Kontext mitnichten weder mein Erziehungsmittel noch mein Erziehungsziel. Wobei ich damit, um nicht das nächste Missverständnis zu generieren, auf gar keinen Fall gesagt haben will, dass ich die Bestrafung als Mittel der Erziehung ablehne. Im Gegenteil, es ist ein völlig legitimes Erziehungs- und Korrekturmittel, wie ich es übrigens auch in meinem Buch beschreibe und in einem weiteren Text in meinem Ratgeber beschreiben werde. Aber im hiesigen Kontext würde es von dem eigentlichen von mit angewendeten Mittel der Erziehung ablenken.

Wenn im Rahmen des Erziehungsversuches dem Hund infolge seines falschen Verhaltens ausschließlich eine Bestrafung angedroht wird und er diese Kausalität sogar verstanden haben sollte, muss er ja noch lange nicht das Falsche an seinem Verhalten, wofür er bestraft wird, verinnerlicht haben. Er wird also unter Umständen nur aufgrund der zu erwartenden Sanktion von seinem eigentlich gewollten Verhalten Abstand nehmen. Das birgt jedoch die Gefahr in sich, dass er beim vermuteten Ausbleiben der Bestrafung, beispielsweise weil Herrchen oder Frauchen weit und breit nicht zu sehen sind, wieder in sein altes Verhaltensmuster zurückfällt. Die Nachhaltigkeit eines solchen Erziehungsversuches lässt also sehr zu wünschen übrig.

Aber ich meide eine Bestrafung noch aus einem anderen Grund, insbesondere bei relativ extremen Fällen der Aggression. Da diese meistens mit einem enormen Stress des Hundes einhergehen, er also das Gefühl hat, die Situation nicht mehr im Griff zu haben, wird er bei einer ähnlichen oder für ihn gefühlten noch stressigeren Situation die Bestrafung unter Umständen sogar mit in Kauf nehmen. Oder anders ausgedrückt, der Grad der Bestrafung müsste demzufolge abhängig gemacht werden von der subjektiven Wertigkeit der Ressource, die der Hund mittels seiner Aggression verteidigt und die diese für ihn in diesem Moment hat. In der Wissenschaft wird sie als „subjective resource value“ bezeichnet. Die Ressource wird also vom jeweiligen Hund mit einer subjektiven und situationsabhängigen Wertigkeit belegt. Das heißt, die Härte der Strafe müsste sich jeweils angepasst aus der Wertigkeit der Ressource für den Hund ergeben. Hätte die Ressource eine enorme Wichtigkeit für ihn, müsste ich ihn ja halb totprügeln, damit er davon ablässt. Spätestens an dieser Stelle wird die Paradoxie des falschen Bestrafens deutlich.

Aber nochmal, ich will damit auf keinen Fall die Bestrafung an sich als Erziehungsmittel in Frage gestellt wissen. Sie ist in der Natur eines der gängigsten und effizientesten Mittel. Man kann sogar sagen: Ohne Bestrafung keine Erziehung. Dazu muss man nur einmal einem Hundezüchter über die Schultern schauen, was dort in einem Rudel so abgeht.

Eine Aggressivität ist meistens begründet entweder in der bedrohten physischen Unversehrtheit des Hundes oder in einer bedrohten Ressource, die er besitzt oder für die er die Verantwortung übertragen bekommen hat. Somit liegt die Lösung eigentlich auf der Hand: Im ersten Fall sollte in einem erfolgreichen und vor allem nachhaltigen Resozialisierungstraining dem Hund die Verantwortung für die Befriedigung seines Bedürfnisses nach physischer Unversehrtheit abgenommen werden, indem Herrchen oder Frauchen ihm demonstrieren, dass sie ab sofort seinen Schutz übernehmen, was sie offensichtlich zuvor nicht getan haben. Und im zweiten Fall muss dem Hund die Verantwortung für die Ressource entzogen werden. Im Ergebnis dessen muss er also das Interesse an beidem verloren haben.

Somit zielt mein Resozialisierungstraining eines verhaltensauffälligen Hundes nicht darauf ab, dass er eine drohende Bestrafung vermeiden will, sondern dass er gegenüber jeglicher Ressource ein ausreichendes Desinteresse entwickelt und dass er weiß, dass er sich um seine Sicherheit quasi keine Gedanken machen muss.